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Erst Recherche dann Tempo, sich der Digitalen Welt stellen im Journalismus

Ein Packender Abend


Erst Recherche dann Tempo

Maßnahmen für bessere Zusammenarbeit zwischen Einsatzkräften und Medienleuten trotz digitaler Beschleunigung

Treffen von Fachgruppe Bild und Kolleg:innen des BJV mit Pressestellenleiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am Chiemsee

Text: Dipl. Jour. Miriam Leunissen


„Für Einsatzleitung, Polizist im Einsatz oder Ermittler hat die Presse - selbst die Informierung der eigenen Pressestelle - nicht die höchste Priorität.“ Diese Aussage des Teamleiter der Pressestelle des Polizeipräsidums Oberbayern Süd Stefan Sonntag rückte Ende April in Bernau am Chiemsee eine Vielzahl von Missverständnissen zwischen Journalist:innen und Polizei in einen wichtigen Kontext. Organisiert hatte das Treffen zwischen zuständigem Pressestellenleiter des flächenmäßig größten Polizeipräsidium Bayerns und Kolleg:innen des Bayerischen Journalistenverbands (BJV), Ferdinand Dörfler-Fahrthofer für dessen Fachgruppe Bild. Ziel war der Austausch zwischen Polizei und Journalist:innen über Erwartungen und Verbesserungsmöglichkeiten der Zusammenarbeit in einer immer schneller werdenden digitalen Medienlandschaft.

Dörfler-Fahrthofers wesentliche Punkte: Veränderungen bei der Zusammenarbeit durch die Digitalisierung. Optimierung des Informationsflusses bei medienrelevanten Ereignissen. Außerdem Unterbindung von Blaulicht-Fotografie und Video-Weitergabe der beteiligten Dienststellen und Rettungsdienste an die Redaktionen. Zudem besserer Zugang für Journalisten zu Unglücksstellen.

++ Kein Fokus auf Pressearbeit bei den zuständigen Polizeistellen

Von Seiten der Polizei-Pressestelle aus langjähriger guter Zusammenarbeit u.a. beim Amok-Fehlalarm in Traunstein, beim Flugzeugabsturz von Schneitzelreuth, oder den Zugunglücken in Garmisch und früher Bad Aibling allesamt nachvollziehbare Punkte. Sonntag, der seit über 10 Jahren in einer der größten Polizei-Pressestellen Bayerns in Rosenheim tätig ist, wies jedoch auf viele Einschränkungen hin. Sehr zentraler Punkt dabei – die Zuständigkeiten: Ein Sprecher der Pressestelle sei immer nur dann formal zuständig, wenn die Kripo mit zum Einsatz komme oder es sich um sehr öffentlichkeitswirksame Einsätze handele. In allen anderen Fällen sei eigentlich die örtliche PI / Autobahnpolizei, Berg-Dienststelle etc. je nach Fall zuständig und dementsprechend auch für die Pressearbeit verantwortlich – wo dann der Dienststellenleiter oder ein von ihm Beauftragter der offizielle Ansprechpartner der Redakteure sei.

Diese sind bei einem größeren Ereignis jedoch oft personell voll ausgelastet und die Zusammenarbeit mit der Presse habe – auch gemäß Ausbildung – dann nicht die höchste Priorität. Ermittlungsarbeit gehe vor. Selbst ob die zentrale Pressestelle informiert und ggf. auch um Unterstützung gebeten wird, sei in der eigenen Dienststelle und noch mehr extern vollständig von der Person und dem Ermessen des/der Einsatzleiter:in bzw. des/der Verantwortlichen vor Ort abhängig. Nach einem langen Einsatz ggf. nachts noch Pressemeldung schreiben, erschiene zudem oftmals entbehrlich.

++ Polizei-DNA: l Polizei kann Auskünfte immer erst nach Verifizierung geben („sichere Quelle“)

Nicht zwangsläufig immer der allgemeinen Rechtsauffassung entsprechende Reaktionen gab es in der Vergangenheit auch häufiger durch unterstützende Bundespolizei – diese ist als eigenständige Polizeibehörde im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit auch für ihre eigene Pressearbeit zuständig. Diese kennen die lokalen Journalisten im Unterschied zu den lokalen Teams nicht und wissen nicht, wer davon professionell und zuverlässig arbeite.

„Dann“, so Sonntag, „wird die Polizei zur Einhaltung der gesetzlichen Normen oftmals zunächst zurückhaltend berichten.“ Begründet wird die Vorsicht dann damit, durch Bilder etc. kein Täterwissen zu offenbar, keine Persönlichkeitsrechte zu verletzen, keine Selbstgefährdung des/der Journalist:in zu riskieren – oder schlicht ohne Störung von außen arbeiten zu können. Zumal, das gaben auch die anwesenden Journalist:innen zu, hier auch von Seiten vieler Redaktionen u.a. aufgrund der Beschleunigung durch die Digitalisierung tatsächlich viele unnötige Fehler gemacht werden.

++ Mehrere konforme Facebook-Posts erfordern weiterhin Double-Check

Digitalisierung und der Umgang mit „Augenzeugenvideos“ oder Twitter-, Facebook oder Instagram-Nachrichten war entsprechen ein weiteres Praxisthema. Beispiel Traunstein: Hier wurde durch mehrere Twitter-Meldungen der Berufsschüler die Falschmeldung, dass Schüsse gefallen seien, kritiklos von vielen Online-Plattformen vermeldet und lange nicht gelöscht oder aktiv gegendargestellt. Sonntag war ausnahmsweise sogar selbst vor Ort. Wäre seine Einsatzleitung in Rosenheim von den Medien zunächst angerufen worden, was immer bestes Mittel der Wahl sei, hätte sich dies sofort aus der Welt schaffen lassen. Bekanntes Fazit: Mehrere gleiche Twitter-Feeds sind kein Doublecheck, also keine mehreren unabhängigen Quellen. Und auch ein Video kann aus dem Kontext gerissen nicht der „Augenzeugenbericht“ sein als der es wirkt. Sonntags Plädoyer: Immer, auch wenn es eine halbe Stunde dauert bis man durchkommt, die Direktion bzw. dort die Pressestelle anfragen. Und wenn einmal ein Fehler passiert, bitte unbedingt dranbleiben und sofort ändern. „Das potenziert sich sonst rasant. Wir bekommen es dann durch Posts auf unserem eigenen Twitter, Facebook, Instagram und zukünftig auch YouTube und vielleicht TikTok-Kanal oder Aussendungen an die Redaktionen kaum mehr aus der Welt.“

Auch in Sachen „Blaulichtfotos“ war man sich an sich einig. Die Polizei unterbindet qua Dienstpflicht Gafferfotos und – videos. Und auch Polizei und Rettungskräfte haben vor Ort grundsätzlich keine Fotos zu fertigen, die den Redaktionen überlassen werden. Ein Schreiben der ehemaligen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht zum Gaffer-Paragrafen an die Fachgruppe Bild bestätigt dies. Nur ermittelnden Behörden und Journalist:innen seien hierzu befugt. Sonntag: „Einsatzkräften sind die geltenden Regelungslagen, gerade in Bezug auf die Fertigung und Weitergabe von Einsatzfotos, nicht immer klar. Medienvertreter und Journalisten mit gültigem Presseausweis oder von entsprechend offiziellen Redaktionen haben einen Auskunftsanspruch gegenüber der Polizei, soweit dem nicht gute Gründe entgegenstehen.“

+++ Gemeinsame Aufklärungsaktionen mit der Polizei angedacht

Einigkeit herrscht, dass zukünftig gemeinsame Aufklärungs-Anstrengungen der Fachgruppe und der Pressestelle in Oberbayern Süd unternommen werden können: „Ein gedeihlicher, ständiger Austausch ist die beste Grundlage für eine positive Zusammenarbeit,“ so Sonntag. Die Flyer „Informationen für Medienschaffende und Polizeieinsatzkräfte“ und die Informationen der Polizei für Großeinsätze wie G7, die Fachgruppe und Pressestelle seien inhaltlich bereits weitgehend gleichlautend und könnten eine gemeinsame Grundlage für eine gute Zusammenarbeit bilden.

Wichtig und sehr hilfreich für die Polizei und die Aufklärungsarbeit von Sonntag und seinem Team bei den eigenen Kollegen, wäre es zudem, endlich auch in Bayern mit dem Wildwuchs der Presseausweise aufzuräumen. Hierzu Dörfler-Fahrthofer: „Bayern und Sachsen gehören zu den wenigen Ländern, in denen noch nicht nur der von der Innenministerin unterschriebene Presseausweis zu akzeptieren sei. - Eigentlich seit 2017 eine bundeseinheitliche Vorschrift.“

Es gibt viel zu erklären und manches auch noch zu verbessern in der Zusammenarbeit von Polizei und Presse. Die Film- und Fotojournalisten, die zwangsläufig für ihre Bilder direkt vor Ort sein müssen, spüren dies am deutlichsten. Das Präsidium Oberbayern Süd und die BJV Fachgruppe Bild packen es weiter an.


Bericht: AKTIVNEWS_Miraiam Leunissen

Fotos: AKTIVNEWS_DE_01_001& Ulf Forzheim

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